Sound on Media – eine Serie über Tonträger in der Musik

digital ist besser

 

Iain Taylor ist ein Musiker und Wissenschaftler an der University of the West of Scotland in Glasgow. Zurzeit hat er einen Lehrauftrag an der School of Media, Culture and Society und hält Kurse zu populärer Musik. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit Fragen des Wertes und der Materialität von Musikaufnahmen im Zusammenhang mit Hörgewohnheiten.

 

iain taylorGlaubst du, dass die jungen Leute heute Musik weniger wertschätzen weil sie Sie jederzeit umsonst runter laden können und nichts mehr dafür bezahlen müssen?

Ich glaube nicht, dass die Kids die Musik heutzutage weniger schätzen. Sie bewerten die Musik nur in einer anderen Art. Ich bin der Meinung, dass der Wert etwas ist, das sozial konstruiert ist. Wir müssen berücksichtigen, dass die 16-jährigen Kids, Musik als Teil eines Systems erleben oder wertschätzen, das total anders ist als das, in das ich eingespannt war, als ich 16 Jahre alt war, oder das mit dem unsere Eltern oder Großeltern umgeben waren.

Ich glaube, das die jungen Leute in vielerlei Hinsicht Musik sehr viel mehr wertschätzen, als ich das vor 10 Jahren getan habe. Und zwar in der Hinsicht, dass sie viel mehr Zugang zu so vielen verschiedenen Arten von Musik haben. Sicherlich sind die 17, 18 Jährigen, die ich auch als Schüler unterrichte, viel offener im Bezug auf ihren musikalischen Geschmack und in der Art wie sie Musik auch interaktiv nutzen. Die Art, wie sie die Musik wahrnehmen ist vielleicht abstrakter wie in meiner Generation oder der Generation meiner Eltern.

Für uns bestand Musik auch aus fühlbaren, materiellen Dingen. Das Gefühl des Besitzes war ein großer Teil des Reizes. Aber ich würde nicht sagen, dass diese Art der Betonung des Besitzes der richtige Weg ist, um Musik wertzuschätzen. Wir müssen akzeptieren, dass es wesentliche Unterschiede gibt: zwischen den sozialen Systemen, von denen wir zu verschiedenen Zeiten umgeben sind. Und die äußern sich in verschiedenen Vorstellungen der Wertschätzung von Musik.

Gehen bei der Komprimierung der Daten irgendwelche musikalischen Informationen verloren?

Man kann nicht leugnen, dass es einen Verlust an Klanginformationen gibt, wenn Dateien kleiner gemacht werden. Etwa beim spezifischen Prozess der Komprimierung von einer Wav-Datei zu einer MP3. Da geht es darum, Frequenzen innerhalb dieses akustischen Spektrums wegzunehmen. Man nimmt Informationen der Datei weg, um sie kleiner und tragbarer zu machen. Aber wenn wir über Klangqualität reden, denke ich, dass sich die Qualität aus mehr Faktoren zusammensetzt als nur als nur aus Dateninformationen. Da sind so viele verschiedene Faktoren mit einbezogen.

Nehmen wir zum Beispiel Neil Youngs Pono Player: Der Apparat ermöglicht es, extrem hohe unkomprimierte Audio Dateien abzuspielen. Prinzipiell ist das eine gute Sache, aber gleichzeitig bin ich nicht überzeugt, dass ein tragbares Gerät der beste Platz ist, um diese hohe Qualität und unkomprimierte Audio Dateien schätzen zu können. Wenn du Sie etwa in deinem Auto hörst oder im Zug, oder während man im geschäftigen Stadtzentrum rumläuft; selbst wenn man Kopfhörer hat, die eine Außengeräuschunterdrückung haben, wird man nicht zwangsläufig den Nutzen dieses Unterschieds merken, weil man immer noch von Geräuschen und anderen Arten von Reizen umgeben ist. Ich würde sagen, dass sich die Qualität der Musik und die Hörerfahrung nicht nur auf die Art der Datei beschränken lässt.

Geht es den Musikern schlechter, weil sie statt mit Musik-Tonträgern nur noch mit Livemusik viel Geld verdienen können?

Es hängt davon ab, von welchen Musikern wir hier reden. Ich schätze, wir reden über Rock- und Popmusiker, die traditionell ein Album aufnehmen, auf Tour gehen, und versuchen ihr Album zu promoten und Platten zu verkaufen. Sicher ist es jetzt für Leute, die anstreben Rockstars oder Popgötter zu werden, schwieriger geworden, weil es immer mehr Leute gibt, die genau das machen wollen. Und es gibt mehr und mehr Leute, die vielleicht aufgrund von so Sendungen wie The X Factor oder Britain´s Got Talent oder anderer Reality- und Castingshows, den Eindruck bekommen, dass es für jeden möglich ist, ein Rockstar zu werden.

Aber zur selben Zeit kenne ich eine Menge Leute, die gutes Geld machen, ohne dass sie zwangsläufig anstreben als Rockstar ins Fernsehen zu kommen. Sie spielen beispielsweise in Hochzeitsbands oder haben, wie ich, Jobs, die sehr direkt mit meinem Status als Musiker verbunden sind.

Welche Rolle spielt Spotify dabei?

Spotify ist interessant. Ich spreche oft mit meinen Schülern darüber und da gibt es sehr geteilte Meinungen. Die einen sagen, da bestehe ein großes Missverhältnis, wenn Spotify einem Künstler 0,008 pences für einen Stream pro Song auszahlt. Die Zeit, das Geld und der Aufwand, welche die Musiker reingesteckt haben, um dieses Album zu machen, steht in keinem Verhältnis zur Freude des Konsumenten, wenn er sich die Musik billig anhören kann.

Aber es gibt genauso Gegenargumente. Man könnte etwa das Gegenargument bringen, dass Spotify die Künstler nicht so ausbezahlt wie sie es sollten, aber es ist immer noch eine sehr neue Technologie. Und umso mehr Leute es nutzen und annehmen, desto mehr wäre Spotify in der Lage die Künstler zu bezahlen.

Es gibt genauso das Argument, dass Dienste wie Spotify sich mehr in Richtung der Demokratisierung des Zugangs zur Musik bewegen. Denn sie schaffen die Vorstellung ab, dass nur sehr reiche Familien in der Lage sind, 15 Pfund die Woche für eine CD oder eine Platte auszugeben, um neue Musik zu hören. Stattdessen kann man, wenn man es in Kauf nimmt ein paar Werbungen zu hören, freien Zugang zu dieser ganzen Musik haben. Selbst wenn man für ein Abonnement Geld bezahlen will, sind es immer noch 10 Pfund weniger als Geld für eine CD auszugeben. Es wäre sehr naiv anzunehmen, dass Spotify verschwinden wird, nur weil manche es nicht mögen.

Was sind die Vorteile von MP3-Dateien, außer dass sie wenig Platz verbrauchen und man sie überall mit hin nehmen kann?

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es sonst Vorteile gibt. Die ganze Idee hinter der MP3 war, dass sie entworfen wurde, um es zu ermöglichen auf Geräten, die einen noch kleineren Speicherplatz hatten, als wir es heute haben, viel Musik speichern zu können. Heute hat man aber Geräte, die mehr Platz hätten und Dateien mit besserer Qualität speichern könnten. Wie ich bereits vorher angedeutet habe, gibt es Phänomene wie Neil Young mit seinem Ponoplayer und auch andere Geräte mit sehr guter Klangqualität. Das ist wahrscheinlich eine Reaktion darauf, dass die Speichermöglichkeiten sich weiterentwickelt haben, während die MP3 immer noch die erste Wahl für Audiodateien ist, um sich Musik anzuhören.

Wurde es für Amateure durch den Computer wieder einfacher, selber Musik zu produzieren?

Definitiv, da stimme ich zu hundertprozentig zu. Gerade in den letzten zehn Jahren sind dank der Verfügbarkeit billiger Technologien, die man auf seinem Laptop benutzen kann oder auf dem Handy, lauter wunderbare Schlafzimmer-Produzenten, wie King Krule, aufgetaucht. Ich erinnere mich, als ich 16 Jahre alt war, also vor 12 Jahren, nahm ich immer noch Demos auf einem Achtspur-Kassetten-Aufnahmegerät auf. Das war eben alles, was für mich zu der Zeit verfügbar war und auch das Einzige was ich mir leisten konnte. Ich hatte zwar einen Computer zu Hause, aber es war keiner auf dem Pro Tools lief. Alle diese neuen Technologien haben es inzwischen einfacher gemacht, für Amateure und auch einige professionelle Musiker, selbst ihre Musik zu produzieren. Und zwar ohne, dass sie eine Mittelsperson dazwischen haben.

Was könnte die MP3 als Tonträger ablösen?

Wahrscheinlich werden wir eine steigernde Zunahme hin zu Streaming mit höherer Qualität sehen. Da gibt es viel Interesse an Diensten wie Tidal oder dem Ponoplayer und anderer Firmen, die sich in Richtung sehr hoher Klangqualität entwickeln. Wahrscheinlich wird es schließlich einen Übergang hinzu besserer Audioqualität geben, weil es immer weniger den Drang oder die Sehnsucht gibt, Musik zu besitzen, bzw. digitale Musik in größeren Mengen zu speichern, wie man es mit analogen Musikmedien gemacht hat. Viele Leute werden mit Sicherheit einfach nur Musik streamen wollen. An dem sich ständig steigernden Wettbewerb und der Differenzierung zwischen verschiedenen Streaming-Diensten sieht man eine Tendenz in Richtung immer besserer Audio-Dateien.

 

Hier findet ihr den Blog, die Band und das Soloprojekt von Iain Taylor.